Falschabbiegen aus der Lohnschere (für Profis)

Frauen verdienen für gleiche Arbeit im Durchschnitt 22% weniger als Männer. Das geht natürlich nicht. Schaut man etwas genauer in die Statistiken, ergibt sich allerdings beim Vergleich Äpfel versus Äpfel, dass Frauen bei annähernd gleichen „Karrierewegen“ wie Männer nur 2% weniger verdienen als die Konkurrenz mit Bart. Auch das geht natürlich nicht, kann hier aber zunächst unter den Tisch fallen.

Die 22% Differenz in der Gesamtbetrachtung ergeben sich, wen wundert´s, aus den „unterbrochenen Karrieren“ der Frauen. Also jener, die Kinder bekommen und sich eine Weile um die kümmern. Weshalb sie einige Gehaltserhöhungsrunden nicht mitmachen können. Das ist ein klassischer No-Brainer, unsere Antwort darauf ist allerdings noch erheblich hirnloser.

Dr. Lieschen Müller leitet nämlich aus dieser fraglos unfairen Diskrepanz eine nur scheinbar logische Konsequenz ab: Männer und Frauen müssen sich die Erziehung des Nachwuches teilen resp. die Kinder gemeinsam möglichst schnell wieder loswerden und in Krippen unterbringen. So sind sowohl Mutter als auch Vater auf dem Karriereweg in gleicher Weise gebremst, für möglichst wenige Jahre, und können danach im Gleichschritt die Gehaltserhöhungsrunden mitnehmen. Um am Ende, nach 30 Jahre Beruf, gleichbezahlt dazustehen.

Klingt fair, ist aber totaler Quatsch. Denn beide stehen zwar auf diesem Weg am Ende fair gleichauf, aber eben auch beide 22% unter der kinderlosen Konkurrenz. Kinder zu haben, ist nach der emanzipierten Reform also nicht mehr nur für die Mutter gefährlich teuer, sondern auch für den Vater.

Da intelligente Menschen diesen Deppenzauber umgehend durchschauen, wird das Kinderkriegen für sie (auch und gerade durch „Elternzeiten“) nicht interessanter, sondern uninteressanter. Dass gut ausgebildete Frauen unter diesen Umständen ebenso wie ihre Männer auf Kinder verzichten, ungern, aber vernünftig, versteht sich von selbst. Interessant bleibt die Aufzucht und Hege möglichst vieler Kinder unter diesen Umständen nur für jene, die eben nicht gut ausgebildet sind (Fähigkeiten als Eltern seien ihnen selbstredend ausdrücklich nicht abgesprochen).

Das unmißverständliche Signal für die klugen 20% und die mittelmäßigen 40% (ich folge hier Welzers Theorem, und das gern) aber lautet: „Kinderkriegen wird bestraft“, und entsprechend verhalten sich eben weite Teile der Bevölkerung – vernünftig. Sie leisten sich gegebenenfalls ein Einzelkind. Alles andere wäre ökonomischer Blödsinn, siehe oben.

Die Probleme, die sich daraus für die Einzelkinder spätestens in 15 Jahren ergeben werden, sehen wir alle deutlich auf uns zukommen. Wir, die 64er, werden unter den Brücken eng zusammenrücken müssen, die nachfolgenden Generationen landen vermutlich direkt im Fluß.

Die Lösung des Problems darf man Dr. Lieschen indes nicht verraten, denn Lieschen zieht bei solchen Wortmeldungen reflexartig eine verdammt große Keule – und wo Lieschen hinschlägt, wächst kein Gras mehr. Drum, gefühlt kleingedruckt, im großen Chor: Wir Klugen möchten nicht fürs Kinderkriegen bestraft werden. Wir möchten nicht am Ende unter die Brücke, während die kinderlosen Commerzbank-Zettelsortiererinnen auf der AIDA Cocktails trinken. Wir sind nicht selbstlos genug, um unser ganzes Leben zu opfern, damit unsere Kinder euch im Alter ernähren (und eure Cocktails zahlen). Wir können rechnen.

Ganz kleingedruckt? Ihr müsstet nur aufhören, das Kinderkriegen unter Strafe zu stellen. Wertet es auf, indem ihr Rahmenbedingungen schafft, die kluge Mütter und Väter trotz der Karriereunterbrechung am Ende 2% besser stellt als die kinderlosen Karrierekonkurrenten.

Und das nennt ihr „Herdprämie“?

Ja. Nee. Ernsthaft: Keine Fragen mehr.

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Mrs. Watson, Mr. Watson und der andere Typ

Mr. Holmes kommt in der neuen Sherlock-Staffel leider nicht so richtig wieder hoch vom Boden …* Dennoch sind die frischen 3 Episoden leidlich gelungen (Nr. 3 sogar mehr als leidlich), allerdings ist das Ganze leider in Sachen Plot, Fälle und Horizontale nicht annähernd so schön und stark wie die ersten beiden Staffeln. Was sollte oder soll das werden oder sein? Eine Bro-Com? Tatort London? Oder doch eher: Mrs. und Dr. Waston featuring S. Holmes? Ohne AC Doyle als Vorlagengeber ist das Team offenbar, leider, nur noch zweitklassig. Immerhin: unverändert 2-3 Klassen über der deutschen Regionalliga.

* Mea culpa. In einem der gar nicht so vielen Bücher, die ich 2008 aus meinem persönlichen Katastrophengebiet retten konnte, nämlich „Er kommt um Sieben“ von Kathy Lette, findet sich der Übersetzungshelferdank: „Thanks for the punnilingus“. Das ist leider chronisch. Und bestimmt unheilbar.
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1000 Gesichter, darunter aparte

Die „Krankheit der 1000 Gesichter“ (eigentlich doch eine ziemlich faule Kapitulation unserer Forscher …) hat ja durchaus optimistisch stimmende Varianten: Nathalie Todenhöfer ist nämlich nicht nur ein hübsches Gesicht der MS, sondern prima. Und rührend. Und charmant sowieso. Dass sie mittels dieser Kombination (und ihrer Stiftung) MS-Kranken hilft, verdient unsere Bewunderung und unseren Applaus; dass der BR das alles unter dem Titel Leben mit Multipler Sklerose ausführlich dokumentiert, ist umso schöner und wichtiger. Interessant aber auch und doch, am Rande, wie Big Pharma es schafft, grad im Rahmen solcher unverdächtigen Formate sämtliche Hirne weich zu kochen. „Basistherapie“ ist hier nämlich gehirnwaschend penetrant förmlich gesetzt und hilft, wie sämtliche hineingeschnittenen Fachkräfte versichern, allen ganz großartig, sogar schon allen Fünfjährigen. „Die MS-Forschung ist schon weit gekommen!“ Werbung für Interferone? Kein Problem im öffentlich-rechtlichen Fernseh. Und immer verbunden mit dem Hinweis: Es sind auch tolle neue Medikamente in der Pipeline: Fragen Sie Ihren Arzt, möglichst gleich! Und vergessen Sie nicht: MS ist unheilbar. Ohne „Basistherapie“ landen Sie umgehend im Rollstuhl.

Schick wäre ein Film über die anderen, also: uns. Oder gar die Geheilten, die man so schwer findet, weil sie schon lange nicht mehr zum Arzt gehen (Danke für eure Mails). Mir fällt nur grad in unserer Gruppe keiner ein, der ausreichend Mittel hätte, „Journalisten“ zu schmieren (oder wenigstens jene Gutachter, die in MS-Stiftungen über die Mittelvergabe für Studien entscheiden). Also machen wir doch einfach auf dem eingeschlagenen Guerilla-Weg weiter, und wer aufgenommen werden möchte in den Verteiler der hoffentlich in irgendeiner Weise zustandekommenden Anlaufstelle „Andere Wege mit und aus der MS“, schicke mir einfach seine email-Adresse (an: mail@solunia.de). Sollte sich diesbezüglich irgendwas Nennenswertes ergeben, maile ich´s rum. (Falls nichts zustandekommt, liegt´s schlicht daran, dass „Ehrenamt“ nichts ist, was meine Kinder anziehen oder essen könnten).

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Big Pharma ist ein Arsch, aber nicht schuldig

Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: WIR (Sie und ich, vertreten durch Gewählte) segnen ab – „Es ist absolut okay, sich am Leid anderer Menschen zu bereichern.“ Sähen wir das mehrheitlich anders, gäbe es keine Pharmaindustrie. Sie wäre schlicht verboten.

Gehört sie auch, nach meinem Dafürhalten. Aber solange nur ich das so sehe (und möglicherweise ein paar zehntausend andere, aber eben nicht: die Mehrheit), wird es dabei bleiben, dass wir von der Pharmaindustrie kein einziges Medikament erwarten dürfen, das Krankheiten beseitigt. Wer so was glaubt, braucht einen Arzt. Denn weshalb sollte eine Industrie ihre eigene Vernichtung befördern? Big Pharma ist doch gesund, nicht schwachsinnig, und so halten wir ein- für allemal fest: Die Pharmaindustrie ist an der Abschaffung von Krankheiten genauso interessiert wie die Autoindustrie an der Abschaffung von Straßen.

Welch zum Himmel stinkende Blüten das legale Ganze allerdings treibt, haben Marcia Angell und zuletzt Ben Goldacre für den angelsächsischen Raum beschrieben – beider Bücher sind wahlweise zum Schreien oder zum Schreien. Ergänzend empfehle ich hier allerdings dringend (weil´s mir auf meiner Literaturliste zur „MS für Anfänger“ durchgerutscht ist „Patient im Visier“ von Caroline Walter und Alexander Kobylinski. Nach der Lektüre kann ich mich nämlich beruhigt zurücklehnen und meine eigene Pharmasammlung wegwerfen – es steht alles bereits geschrieben, und dass die beiden echten Journalisten es zudem am Beispiel der MS-Industrie durchdekliniert haben, macht ihr Buch für „uns“ zur Pflichtlektüre.

Für alle Gesunden ist es schlicht eine großartige, spannende Horrorstory.

Caroline Walter & Alexander Kobylinski – Patient im Visier (Suhrkamp 2011, 272 S., 8.99 €)
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Nivens frische Leberhaken

Wenn brillante Drehbuchautoren mit jungen weiblichen Hollywood-Diven sprechen, die wegen ihrer „Interpretation der Rolle“ ein paar gravierende Änderungen am Skript wünschen, klingt das natürlich gerechterweise so:

„Deine Interpretation? Hör zu, du blöde Nuss – während du noch im Valley gekellnert, die Schwänze von ausführenden Produzenten geluscht und auf einen Rückruf wegen einer Rolle in Analmonster 5 gehofft hast, habe ich mich eingehend mit Interpretationen beschäftigt. Und während du noch versucht hast, mit der Scheiße aus deiner Windel deinen bescheuerten Namen auf den Badezimmerboden zu schmieren, habe ich die Universität mit Bestnoten in Literatur und Anglistik abgeschlossen. Ich habe fünfundzwanzig Jahre meines Lebens auf diese eine Seite des Drehbuchs verwendet. Das ist ungefähr die Zeit, die du auf der Welt bist. Ich besitze beschissene Krawatten, die älter sind als du. Warum hältst du also nicht einfach deine dämliche Klappe und spielst die Rolle so, wie ich sie geschrieben habe?“

Kennedy Marr heißt dieser frische neue Bruder von John Self und Hank Moody, zur Welt gebracht diesmal nicht von Martin Amis (Money) oder Tom Kapinos (Californication), sondern von John Niven – der sich mit seinem wüst austeilenden Sex-and-Drugs-and-Booze-Bestsellerschreiber, dem „Straight White Male“ Kennedy, hinter seinen Vorreitern nicht verstecken muss – sondern ihnen IMHO sogar noch was voraus hat, nämlich ein großes Herz hinter der großen Schnauze. Was man natürlich mögen muss, also: das Herz als Zugabe. Betonzyniker finden das vermutlich im dritten Akt enttäuschend hollywoodesk und ärgern sich über die finale Verunreinigung des tiefen Schwarz mit Farb- oder Silberstreifklecksen, aber yours truly reagiert halt nicht allergisch auf leises, intelligentes Hoffnungsschimmern. Sondern hocherfreut.

Inhaltsangaben? Aw, come on, wozu gibt´s denn amazon?

John Niven / Straight White Male (Dt. – ganz tadellos – von Stefan Glietsch, Heyne Hardcore, Januar 2014, 384 S., 16.99 €)
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Die Quotenidioten (Künstlerdämmerung #17)

Na, endlich, ein Tornado im Wasserglas (besser als „besser als nichts!“ Eine Wohltat!): Nachdem schon in der letzten FAS Tobias Rüther ein paar wahre Worte zum Zustand des deutschen Redakteursirrsinns fand, lohnt nun erst recht und ganz entschieden Katharina Riehls am 18ten Januar in der Süddeutschen publizierter Text Frauen vor Stusslandschaft die Lektüre (will allerdings zurecht via Genios käuflich erworben sein – oder geklaut, aber diesbezüglich bin ich keine Hilfe).

Ändern wird sich nix, klar. Aber als Autor ist man ja schon unendlich froh und dankbar, dass Menschen „da draußen“ wenigstens mal zu ahnen beginnen (können), wie´s hier „drin“ zugeht – und dass nicht wir die mittelmäßigen Deppen sind, sondern wahrhaftig andere.

Ergänzend, bebildert, gönne man sich den amtlichen 3Sat-Beitrag „Die Macht der Zuschauer“ – und staune anschließend nimmermehr und nimmer wieder über unser atemberaubend lausiges Programm.

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Lebensmittelpunkte (cont.)

Aus der ernährungswissenschaftlichen Gerüchteküche dringen mal wieder dicke Nebelschwaden, drum plädiere ich nochmals dafür, diesbezüglich „-wissenschaft“ durch „-glaube“ zu ersetzen. Die neusten Heilsversprechen von „Paleo Mom“s und Mainstream-Gurus klingen zwar irgendwie einleuchtend, aber ein paar Fragen zur „Steinzeitdiät“ werden offenkundig nicht gestellt. Zum Beispiel die, weshalb Fleisch plötzlich nicht mehr als entzündungsfördernd gilt (Stichwort: Arachidonsäure). Bislang galt für uns Entzündete doch eher die „mediterrane“ Variante als vielversprechend, also die mit Gemüse, Obst und – wenn überhaupt – Fisch (Omega), plötzlich heißt´s (ausgelöst auch durch Dr. Terry Wahls’ MS-Wundergenesung): Fleisch. Viel Fleisch.

Das könnte leider halbgar sein. Zwar steht Carnitin (in seinen besseren Acetyl-L-Varianten) schon länger auf der Liste der mutmaßlich hilfreichen Stoffe, aber das bedeutet ja nicht, dass wir uns jetzt alle kopfüber in die Cabanossi-Theke stürzen sollten). Und die Verkürzung auf „unsere Vorfahren haben das auch so gemacht und waren gesund“ ist gleich aus diversen Gründen kompletter Stuß, weil a) die Lebenserwartung des durchschnittlichen Neandertalers 35 Jahre betragen haben dürfte, b) der Typ nicht den ganzen Tag sitzend unterwegs war, sondern joggend (gesund) in der Sonne (auch gesund: Vitamin D) und c) die Gesamtbevölkerung unseres Planeten zu damaligen Diätzeiten ungefähr der heutigen Einwohnerzahl von Hannover entsprochen haben dürfte. „Steinzeiternährung“ als zivilisatorisches Heilversprechen ist daher schon aus letztgenanntem Grund stumpfer Stuß, denn Rinder und Schweine wachsen nicht auf Wasserflächen, und an Land könnten wir schlicht und ergreifend nicht noch mehr von den Dingern abstellen. Der Rest des elitären Hype erledigt sich aus ethischen Gründen, sowieso – und so entpuppt sich „Paleo“ als modischer Unfug resp. fette Mogelpackung.

Was nichts an der Arbeitshypothese ändert, ein gelegentlicher Sonntagsfiletbraten von glücklich groß gewordenen Rindern könne dem durchschnittlichen Omnivoren nicht schaden. Aber den Rest fassen wir doch einfach quintessentiell zusammen als: Viel Obst und Gemüse, viel Bewegung in frischer Luft und Sonne, wenig Zucker und Kohlehydrate, keine Milch, wenig Wein – dafür Liebe, gute Laune und gute Gedanken. So bleibt man lange gesund.

Wenn ich den Satz noch ein bißchen ausbaue, ist der im Buchhandel immerhin 24,99 wert, aber zum Glück arbeiten auf der Baustelle ja schon viele fleißige andere nicht ganz echte Experten.

(Gut, ja, okay, ich bleib da mal dran … schon klar, wenn man das alles richtig würzt und vorher Ingwer isst, dann wird das alles gar nicht so schlimm mit der fiesen Säure … aber das ändert doch nix am Grundproblem, dass wir alle schon jetzt viel zu viel Fleisch essen, oder?)

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