Verheerend, was Mythen und Märchen so alles anrichten können. Da wächst man unschuldig auf und verinnerlicht tief im infantilen Hirn die Mär von der Vertreibung aus dem Paradies, merkt sich aber nur „Schlange“ und „Eva“ – um auch diese beiden später, als rationaler Erwachsener, ins Reich der Fabel zu verweisen. Der Subtext aber bleibt gespeichert, frei und sinngemäß: Vorher, im Paradies, waren wir (= Gottesebenbilder) glücklich und mussten nicht arbeiten – wir konnten einfach die von Gottvater exklusiv für uns erschaffenen Gaben von den Bäumen pflücken, wahlweise bereits gebraten verspeisen. Nicht mal hierzulande aufgewachsene Atheisten stellen diesen Kern der Fabel in Frage – man kann ja auch ohne Gebetbuch Rohkostler werden.
Eine Tücke hat das Ganze aber. Denn Obst und Gemüse können nicht lesen, wissen also gar nichts von der Ansage unseres Schöpfers, dass sie uns nahrhaft zur Verfügung zu stehen haben. Einige Gemüsearten machen aus ihrer gottlosen Legasthenie indes kein Hehl und werden regelrecht fies, wenn wir sie einfach so beißen – die gemeine Kartoffel reagiert regbuchstäblich giftig, aus dem Konfirmationsunterricht würde die hochkant rausfliegen. Möhren hingegen sind offenbar milder veranlagt (auch wenn sie ihre wertvollsten Inhaltsstoffe erst hergeben, wenn wir sie schreddern und mit Öl vermischen), während – immerhin – alles Obst der Ansage unseres Gottes offenbar klaglos folgt.
Wer so was glaubt (ohne je darüber nachgedacht zu haben), hat nicht nur ein größeres philosophisches Problem, die wahren Zusammenhänge in Natur und Kosmos zu begreifen, sondern vermutlich auch echte Probleme, „gesundes Essen“ zu verstehen. Deshalb schreiben wir uns jetzt mal kollektiv hinter die Löffel: Keine Pflanze will von uns gegessen werden. Oder, halt, doch! Obst will von uns gegessen werden, mit Kern, denn dieser Kern wandert durch unseren Darm und landet mit obstgeeigneter, uns entwendeter Nahrung (Darminhalt) auf fruchtbarem Boden, wo er sich erneut in eine Pflanze verwandeln kann. Das jedenfalls ist der Plan des Obstes. Deshalb macht es sich so verlockend bunt und buhlt um blöde Fresser. Zum Glück hat sich in Obstkreisen bis heute nicht herumgesprochen, dass der Plan bei uns Menschen evolutionär gescheitert ist, seit wir nicht mehr an der frischen Luft unsere Notdurft verrichten. Sollte Obst das je mitbekommen und sich anpassen, hätten wir ein echtes Problem …
Aber nicht nur Obst ist egoistisch. Auch Paprika schützt sich gegen Freßfeinde wie uns. Und Getreide wächst schon mal ganz und gar nicht, um uns zu dienen, sondern schützt sich mit feinen Haken und harten Schalen gegen jeden diesbezüglichen Versuch.
Dass wir so schlau waren, in diesem Wettkampf mit Werkzeugen und Feuer die Verteidigungslinien der unwilligen anderen Arten zu durchbrechen, macht uns seit ein paar hunderttausend Jahren so erfolgreich. Wohl wahr. Man bedenke aber bei der Nahrungszusammenstellung und –aufnahme ein zweites Naturgesetz: Was tot ist und auf den Boden fällt, wird verstoffwechselt. Und zwar mittels der vier Elemente, angeführt von Luft, vulgo: Sauerstoff. Sofern Sie je längere Zeit eine Leiche bei sich im Garten liegen hatten, wissen Sie das aus persönlicher Anschauung: der Sauerstoff, zu Lebzeiten des Verblichenen essentiell dienlich, schaltet unmittelbar nach dem Ableben um auf Zersetzung. Bei Obst, Gemüse und Getreide macht er das allerdings genauso – und zwar gnadenlos. Schon ein verletzter Apfel wird umgehend vom Sauerstoff attackiert und zerlegt, wie wir an der braungefärbten Hautreaktion der offenen Wunde sehen. Grundsätzlich ist „Verstorbenes“ daher binnen spätestens zwei Tagen an der frischen Luft wirklich tot – und ungenießbar. Komischerweise machen wir uns aber nie klar, dass dies auch für das störrische Getreide gilt. Und dass ein Getreidekorn weiß, dass es tot ist, sobald man seinen Fettkeim schreddert. Zermahlen wird echtes Getreide daher binnen zwei Tagen – ranzig. Und ungenießbar. Sprich: Vollkornmehl muss direkt und unmittelbar nach der Vermahlung mit anderen nützlichen Substanzen vermischt und schleunigst bei hohen Temperaturen verbacken werden, um überhaupt genießbar (und im besten Sinn lebensspendend) zu sein. Und spätestens weitere 5 Tage nach Anwendung dieses unseren feinen Tricks müssen wir uns die Lebensenergie des Getreides komplett einverleibt und diese wieder selbst verstoffwechselt haben, denn nach 5 Tagen endet auch die Konservierungszeit mittels Backen – und vor uns liegt endgültig ein harter, ungenießbarer Klumpen toter Substanzen.
Kein Problem – Sie verwenden ja Vollkornmehl aus dem Reformhaus? Denken Sie noch mal kurz drüber nach … (und werfen Sie einen Blick auf das unmögliche Haltbarkeitsdatum).
(Fortsetzung folgt garantiert. Muss nur kurz an die Getreidemühle …)
















