Die Nachrichten der anderen (#3)

(Kreuters, Breaking News): Wie ZDF-Intendant Markus Schächter eben bekanntgab, verlässt der Sender mit sofortiger Wirkung den in den späten Achtzigern eingeschlagenen Quoten-Holzweg, entschuldigt sich bei seinen Geldgebern („der Gesamtbevölkerung“) und deckt von nun an täglich zur besten Sendezeit die Bedürfnisse all jener Zuschauer ab, die von den privaten Anbietern eben nicht befriedigt werden. Schächter räumte ein, erst jetzt verstanden zu haben, was „Vollprogramm“ in Zeiten voller Kanäle bedeutet, zitierte Kurt Beck mit den Worten „Wer arbeitet, macht Fehler“, und stellte die neue Prime-Time-Schiene vor. Die überflüssigerweise für 50 Millionen Euro pro Saison eingekauften Champions-League-Übertragungsrechte fallen mit sofortiger Wirkung (sowie gegen Rechnung) zurück an den privaten Free-TV-Anbieter Sat.1, „Wetten, dass?“ läuft ab Herbst bei RTL unter dem neuen Titel „Die große Audi-Wetten-dass-Show“. Das ZDF zeigt von montags bis sonntags jeweils um 20.15 Uhr nur noch gesellschaftlich Relevantes, das vom Industriefernsehen aus nachvollziehbaren Gründen nicht produziert oder gesendet wird. Montags, Mittwochs und Freitags werden politische Magazine ausgestrahlt, Donnerstags Talkrunden von morgens bis abends (neue Moderatoren werden gesucht), am Dienstagabend Dokumentationen. Der Samstag bleibt einer Kombination aus Doku und Spendenaufrufen vorbehalten, am Sonntag berichtet Markus Lanz live von Randsportarten, den Anfang machen Rhythmische Sportgymnastik und die EM im Synchronschwimmen. Schächter versicherte abschließend, die Volksmusik werde auch weiter ihren Platz im öffentlich-rechtlichen Programm finden, solange Sat.1 und RTL nicht endlich auch dieses Zuschauerinteresse bedienen.

Aufgewacht. Seither wieder nervös.

P.S.: Übrigens, junge Nachwuchsschöpfer und King-Content-Träumer, macht euch nichts vor, sucht euch andere Jobs, wir sind nämlich schon da und räumen garantiert keinen Sessel. Ihr kennt das doch, inzwischen: klopft ihr heute mit ner guten Idee bei den „ÖR“, werdet ihr empfangen wie die Anrufer vom Viagra-Call-Center im Nonnenstift oder jeder stinknormal vorbestrafte Zeitschriftendrücker im CDU-Vorort: „Wir kaufen nichts! Gehen Sie weg! Wenn Sie hier irgendein Programm vorschlagen wollen, vergessen Sie´s, wir machen bis 2016 nichts mehr!“ Immerhin, eine Option bleibt euch: Wer schnell genug vor dem Türzuknallen devot dazwischengeht (nicht mit dem Fuß; mit Worten) und sagt: „Ich bezahle! Alles selbst! Will kein Geld! Ich mähe Ihnen einfach nur den Rasen!“, der muss bloß noch eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben und darf sich anschließend nach Strich und Faden selbstausbeuten. Sogar vor Publikum, denn es schauen einem Dutzende von erfahrenen Redakteuren kritisch dabei zu. Und so was ist doch immerhin schon halb so nah am Berufsleben wie ein eigener youtube-Kanal!

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