Miese Mitbringsel

Zum feierlichen Essen eingeladen, bei Freunden? Besser nicht auf die Idee kommen, Bücher von der nachfolgenden kurzen Liste als Gastgeschenke mitzubringen, denn von Foer bis Duve, von Tolle bis Naish gilt: Lesen ist Pflicht, Verschenken ein Affront.

Duve und Foer, derzeit unübersehbar, behandeln in Anständig Essen resp. Tiere essen das gleiche Thema; die Entscheidung „Wie hätten Sie´s denn gern?“ fällt nach persönlichem Geschmack. Duve dürfte etwas massentauglicher sein, da sie ihren Selbstversuch auf dem Kenntnisstand eines fränkischen Fahrzeuglackierers beginnt und ohne größeren ethischen oder journalistischen Anspruch krachledern durchs Thema poltert. Das ist gelegentlich wirklich lustig und zudem volksnah anekdotisch, dürfte also die „Fleisch ist mein Gemüse“-Fraktion eher erreichen als Foers schöngeistiger Ansatz, und damit wäre ja der edlen Sache gedient. Von beiden. So oder so. Ich hab jedenfalls sowohl als auch mit Gewinn zu mir genommen. Sowie Genuß. An neuen Erkenntnissen.

Weshalb ich persönlich den erschütternden Foer bevorzuge, hatte ich bereits letztes Jahr kurz beschrieben, über mein schlechtes Gewissen wegen meiner folgenden sommerlichen Grill-Aussetzer schreib ich hier lieber nix. Ich weiß, ich komme in die Hölle. Auch wenn ich nur noch höchstens einmal die Woche Rinderfilet esse und sonst nichts ehemals Lebendes mehr, kein Huhn, kein Schwein, kaum einen Fisch, keine Wurst. Und Milchprodukte und Eier sowieso nicht. Keine Fertigwaren. Mein Kopfkissen und eine Bettdecke sind synthetisch. Meine Schuhsammlung ist weitgehend vegan. Aber das nützt natürlich alles nichts, es bleiben noch ausreichend Sünden. Andererseits … so bummelig 8 von 10 Geboten, hey, ist das nix!?

Wie, Vergebung ist kein Kuhhandel?

Auch nicht so toll als Mitbringsel macht sich David Servan-Schreibers Anti-Krebs-Buch, schon wegen des bedrohlichen Titels. Da nützt nämlich auch das Anti nichts, sogar ein negierter Krebs weckt unschöne Assoziationen. Es steht also zu befürchten, dass man das Buch erst auf dem eigenen Radar erkennt, wenn´s zu spät ist – man also selbst betroffen oder via Freunde/Bekannte mit dem tödlichen Thema konfrontiert.

Was ein Jammer ist. Denn tatsächlich leistet Servan-Schreiber eine Menge, denn sein Buch dient der Prävention. Möglicherweise sogar der von Krebs, erst recht aber der Prävention von allerlei anderen unschönen Krankheiten.

Krankheiten?

Man kann doch nicht gesunden Freunden ein Buch über Krankheiten schenken.

Aber vielleicht doch mal drauf hinweisen. Mit Appetizer: Macht auch schlank, das Buch. Wenn man´s nicht nur liest.

Ach so, und John Naishs: Genug – Wie Sie der Welt des Überflusses entkommen; das hat mir ein Freund nicht neben den Teller gelegt, sondern ans Herz, nachdem ich mich als Freund und Verehrer von Meinhard Miegels Exit geoutet hatte. Naish hat weniger Esprit, dafür aber mehr Zahlen, und das hat durchaus seinen Reiz.

Aber: Vorsicht. Sein Buch ist nicht nur kein Mitbringsel für den verwöhnten Allesverbraucher von nebenan, sondern erst recht keins für die Patenfamilie auf Haiti. Wer „Genug!“, „Exit!“ und „Konsumstopp!“ für weltweit brauchbare Schlachtrufe hält, leidet an der galoppierender Egozentrik. Jener sollte daher dringend Eckart Tolles: Eine neue Erde geschenkt kriegen. Aber das kann man nun wirklich nicht machen. Da muss schon jeder selber drauf kommen.

P.S.: Vergessen. Grimm. Hans-Ulrich. Die Ernährungsfalle. Das geht. Das kann man verschenken. Sofern der Gastgeber Anfänger ist und nicht bereits den ganzen Schrank voll Pollmer-Bücher stehen hat, in dem Fall schenkt man sich den Grimm dann doch besser ganz.

Karin Duve: Anständig essen (Galiani 2010, 335 S., 19.95)
Jonathan Safran Foer: Tiere essen (Kiwi 2010, 399 S., 19.95)
David Servan-Schreiber: Das Anti-Krebs-Buch (Kunstmann 2011, 399 S., 24.90)
Hans-Ulrich Grimm: Die Ernährungsfalle (Heyne 2010, München, 528 S., 19.90)
John Naish: Genug – Wie Sie der der Welt des Überflusses entkommen (Bastei, 304 S., 8.99)
Eckart Tolle: Eine neue Erde – Bewusstseinssprung anstelle von Weltzerstörung (Goldmann 2005, 320 S., 19.90)
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