P.S.: Urheberrecht und Fake Hype

Putzig. Und beides auf Piraten-Terrain, auf dünnen Brettern über nicht tragfähigem Element, zum Thema Julia Schramm, das böse Random House und wie man einen PR-Shitstorm aus der Retorte entfesselt resp. -faselt. Aber lesenswert in allen Windungen, und die überwiegend kompetenzfreien Kommentare – erst recht.

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Dislike: Publikumsstalker

Zur Ex-und-Jenseits-Wulff hat Amazon-5-Sterne-Vergeber Cacavas immerhin 18 bessere Titel, mir gefallen am besten „Armutsfalle Ehrensold – Eine Betroffene klagt an“ und „Betti: Netto nur Dreitausend – Wenn das Geld nicht für den Monat reicht“, aber verkaufen tut sich der Schrott ja offenbar dank der dementen PR wie geschnitten Brut.

Damit wir uns nicht missverstehen, mitten im Kopfschütteln: für solche Erfolge muss man ja hierzulande leider nicht mal Web 2.0 können, also sich 70%-90% virtuelle „likes“, oder followers kaufen wie Lady G, Barack O. und der ganze populäre Rest (hier: keine Links, es reicht eine Eingabe „buy likes“ auf der Google Startseite oder, besser, auf der Startpage), für den hiesig Stehengebliebenen reicht die „Manipulation“ des Google mittels tausenderfacher Praktikanteneingabe von „Betty Wulff Prostituierte“. Cool. Ernsthaft. Jetzt versteh ich auch, wieso „Tatort“ 9 Millionen Zuschauer hat.

Aber, sag mal: wen könnt ich jetzt denn mal wegen Rufmord verklagen, weil doch Google hinter meinen komplett unschuldigen Namen immer automatisch „Mörder“ setzt? Diekmann? Mopo? Auch Jauch? Kann ich mal mit meinem Telefonanwalt sprechen?

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Verwerterrecht kontra Überlieferung

„Alles fließt“ – wäre nicht überliefert, hätte es zu Heraklits Zeiten schon Anwälte und Hitverleger gegeben. Der geschätzte Kollege K. kassiert gerade Abmahnungen von Shyster & Flywheel aus L.A., weil er´s gewagt hat, einem seiner Thriller eine Zeile aus „Satisfaction“ voranzustellen (Forderung: 5.000 Euro) (Autorenvorschuß für das ganze Buch: 3.000 Euro), und mein Verlag findet zwar meine Idee „Hammer“, die größten Wahrheiten der jüngeren Menschheitsgeschichte zu übersetzen, zu sortieren und in einem schicken Aphorismenband zu veröffentlichen – weiß aber nach kurzer juristischer Beratung auch, dass das leider nicht geht resp. mich sowie ihn, den Verlag, ruinieren würde.

Ein Jammer. Denn ich hab meine Töchter, wenn die wegen eines in den Sand gefallenen Schnullers oder ähnlich gravierendem Zeug schluchzten, immer gern mit Cher getröstet:  „Süße, spar dir die Tränen, vielleicht brauchst du die eines Tages noch.“

Mit dem Rest der kurzen Präsentationssammlung (unten) lässt sich immerhin privat, nichtkommerziell und ohne jede Absicht einer Gewinnerzielung, dafür unter vollstverehrender Anerkennung aller Urheberrechte hinter verschlossenen Türen quizzen, zum Beispiel so:

Frag mich nicht, was ich von Dir halte, es könnte sein, dass ich Dir nicht die erwünschte Antwort gebe.

Bei allem Lügen und Scherzen hört der Mensch doch nur, was er hören will und ignoriert den Rest.

Alles, was man braucht, ist Liebe.

Wenn Du die Welt verändern willst, lass Liebe Deine Kraftquelle sein.

Die Liebe lässt sich nicht drängen, du musst schon auf sie warten. Die Liebe kommt, wann sie will, für sie spielt Zeit keine Rolle.

Die Liebe ist ein Schlachtfeld.

Ehe Du mich anklagst, betrachte dich selbst.

Jage keine Wasserfälle, halte dich an die Seen und Flüsse, die Du kennst.

Zu denken ist die beste Art des Reisens.

Wir können tanzen. Deine Freunde können wir zurücklassen. Denn Deine Freunde tanzen nicht, und wenn sie nicht tanzen, dann sind sie nicht meine Freunde.

Freiheit ist nur ein anderer Begriff für „Nichts zu verlieren“.

Optimismus ist die beste Verteidigung.

Sag, du warst das nicht.

Da hilft mir alles Kämpfen und Widerstand leisten nichts – niemals komme ich aus dieser Welt lebend heraus.

Der Rest wird beizeiten mündlich weitergereicht, von Lagerfeuer zu Lagerfeuer, nach der Zeitenwende. Und die Anwälte dürfen dann sogar mitraten.

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Schwatzende Skandinavier

Nicht, dass ich das nicht mögen würde, neinnein, es soll ja gern alles ausgesprochen werden, benannt, erklärt, erörtert, „Lars muss auf den Würfel!“, damit bloß nix im Unklaren bleibt, aber müsste ich wählen zwischen der (sehr guten) 10 x 100 = 1000-Minuten-Dänenkrimi-Erzählung „Kommissarin Lund“ und den 24 x 40 = 960 Minuten der ersten „24“-Staffeln … ja. Schon klar, verräterische Kopfzeile.

Hingeschrieben ist´s aber noch viel schlimmer als gefilmt, dieses dauernde Alleserklären. Das Bestsellerbuch, das ich gerade auf Anraten eines geschätzten Kollegen las, nämlich „Der Mann, der kein Mörder war“ (von Hjorth & Rosenfeldt), umfasste beinahe 600 Seiten, und ausgelassen wurde da nichts. Zwar verzögert und mittels diverser Taschenspielertricks gelegentlich lang verschleiert, aber ausgelassen: nö. Nix. Nada. Vom Protagonisten weiß ich jetzt sogar, was er morgens bei der Unterhosenauswahl denkt (und warum), aber auch über die Backstorywunden jeder Nebenfigur bin ich vollständig informiert. Sowie über die Macken aller Verdächtigen, Angehörigen, Zeugen, Statisten. Und die des Täters. Auch hier: wieder mittels diverser dummer Tricks, denn Autoren, die auktorial erzählen, müssen sich ja doch fragen lassen, wieso sie zum Beispiel die Identität des Ihnen so bis ins Mark vertrauten Mörders nicht einfach verraten. (Was man ja durchaus tun kann. Sofern man das – eben – kann. Erzählen. Schreiben. Und so.) Gelungen ist jedenfalls mein Experiment, auf Seite 245 einfach mal ein paar Seiten zu überschlagen, nämlich weitere 245, und auf Seite 490 zu schauen, ob ich was verpasst habe. Hab ich nicht. Die Situation ist praktisch unverändert, die Erkenntnisse aus der Zwischenzeit passen in einen Absatz, wer also das ganze Buch liest, ist selber schuld. Ach, was, wer´s überhaupt liest, ist selber schuld.

Der Witz ist: es lässt sich auch ganz anders erzählen, ob mit oder ohne Bild. Qua Handeln. Show, don´t tell, nennt das der Nichtschwede, und Recht hat er. Unser Handeln sagt mehr über uns als unser Gelaber, und vor Autoren, die das wissen und in Schrift stellen sprich: das umsetzen können, ziehe ich all meine Mützen. James Sallis benötigte für die Hjorth&Rosenfeldt-Geschichte höchstens 150 Seiten und hätte am Ende trotzdem mehr über alle auftretenden Personen erzählt als der Doppelschwede. Denn die Motive von Menschen (ob echt oder aus Papier) erschließen sich durch deren Handeln im Kleinen, das ganze Romane en passant miterzählt, für uns, die Leser, die wir ja auch nicht erst gestern zur Welt gekommen sind und spüren, wissen, wie einer ist, der so wahlweise lautstark/wortkarg/laberig auftritt und gewisse Dinge tut oder lässt. Liefert der Erzähler uns obendrein auch noch zwei, drei gut gesetzte Informationen via Dialog oder einiger kurzer, bezeichnender Schilderungen, wissen wir sogar, wieso der oder die so ist …

Halt. Das stimmt nicht. Wir. Quatsch. „Wir“ lesen nicht Sallis oder Woodrell oben in die Bestsellerlisten, sondern Hjorth, Rosenfeldt, Adler, Larsson etc. pp. Und kucken „Tatort“. Und wollen dieses ganze Gelaber, bis zum Abwinken, bis zum Einschlafen. Weil „wir“ das wirklich alles sonst nicht schnallen, diese ganzen Dinge, die wir wissen könnten, wären wir generell wach und aufmerksam.

So gesehen. Nehme ich alles zurück. Bis auf´s Trotzige: Dicke Bücher mit nix drin und Hörspiele vor laufender Kamera kann jeder.

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Na, Danke!®

Mein Steuerberater hat mir gestern einen mitgegeben, und zwar einen Tragebeutel. Einen riesigen. Tragkraft 7 Kilo, das sind umgerechnet glatt drei dicke Leitzordner, randvoll mit Belegen. Prinzipiell finde ich das nett, aber trotzdem verstehe ich die Tasche nicht, denn die sieht aus wie irgendwas zu groß Geratenes von Douglas oder aus dem Alsterhaus, und drauf steht in ungefähr 480-punktgroßen Lettern:

ALLES GUTE® VON IHREM STEUERBERATER

Zweierlei macht mich daran nervös, wobei ersterlei fast harmlos ist, nämlich: Was signalisiere ich anderen Menschen, gar, nicht auszudenken, Frauen, wenn ich mich mit dieser schicken Tasche an einen Straßencafétisch setze? „Ich habe einen Steuerberater!“ (Und du man nicht!)? Oder: „Ich habe kein Zuhause und muss meine Buchhaltung auf der Straße machen?“ oder „Bis zu meiner Beförderung bin ich im Ganzkörper-Hamsterkostüm von OBI rumgelaufen?“ Egal. Ein Erfolgssignal sieht anders aus.

Viel nervöser macht mich aber zweitens, weil ich lesen und schreiben kann und demnächst schon deshalb automatisch gegen jedes Urheberrecht verstoße, ganz was anders: Denn das R mippm Kreis drum, das oben am Steuerberater-„GUTE“ klebt, bedeutet ja anders als das A mippm Kreis drum was ganz Amtliches, nämlich für eine im Markenregister für teuer Geld eingetragene Waren- oder Dienstleistungsmarke – die eben qua „R“ als geschützt ausgewiesen ist. Sprich: die nicht jeder Hans oder Franz einfach so benutzen darf. Sondern höchstens mit schriftlicher Erlaubnis des Markeninhabers. Sonst: Anwalt. Abmahnung. Einstweilige Verfügung. Schadenersatz. Auf die Fresse. Privatinsolvenz. Hartz IV. Exitus.

Und was mach ich jetzt? Meine alte Freundin T. hat heute Geburtstag. Wenn ich der jetzt „alles Gute“ wünsche und da zufällig am Nachbartisch ein Steuerberater sitzt, dann hab ich doch überhaupt kein Geld mehr für Geschenke.

Wie, das hab ich jetzt eh nicht mehr, schon weil ich die Marke hier abgeschrieben hab? Na gut, die oben im Titel ist dann aber meine! Und wartet nur ab, ihr Steuerberater, morgen nagel ich so´n „®“ auch an GUTEN TAG, und dann GUTE NACHT!

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Im Schatten der Phoenix (#2)

In der Harburger Fußgängerzone sehen alle aus wie bulgarische Kugelstoßer, sogar die Männer.

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Das neue Buch Genesis

To-do-Liste: „rausfinden, wie ich Bernard Beckett 10 Euro überweisen kann, ohne dass die Banken mir dafür 20 Euro abnehmen.“ Das Problem ist: Beckett wohnt in Neuseeland und hat vermutlich kein Konto bei der Haspa. Trotzdem muss ich ihm für die 2 Stunden Freude, die er mir bereitet hat, doch wenigstens einen Zehner schicken. Problem 2: Beckett hat zwar reichlich Preise gewonnen, aber meines Wissens keine Homepage. Und unterrichtet an der Hutt Valley High School in Lower Hutt. Weit weg. Kommen 10 Euro da an, per Brief? Und was kost´ so was nach Neuseeland? Oder fahr ich zur nächsten Buchmesse, weil doch Neuseeland Schwerpunktthema ist, und hoffe, dass ich dem guten Mann da seinen Zehner zustecken kann?

Ja, ich hab Sorgen! Denn Becketts Buch kostet 5.95 €. Und ich weiß nicht, wie das geht. 7% sind Steuern, Drucker und Papier kosten Geld, der Vertrieb kassiert 65%, Lektoren, Gestalter, Verlagswerber müssen auch bezahlt werden … die (sehr gute) Übersetzerin wird doch wenigstens einen Hungerlohn bekommen haben; da kann für Beckett (maximal 60% von 5% der Auslandeinnahmen abzgl. Steuern abzgl. Steuern) exakt null komma gar nichts bleiben.

Gut. Egal. Ich finde eine Lösung. Wegen Kleingeld.

Das Buch ist jedenfalls exzellent. Geschrieben für kluge junge Menschen, im Stil der platonischen resp. sokratischen Dialoge, nur dass hier eine junge Bewerberin von den Prüfern einer Akademie über ein zurückliegendes wichtiges geschichtliches Ereignis befragt wird. Zurückliegend heißt in diesem Fall: aus dem Jahr 2170, denn die Prüfung findet noch weiter in der Zukunft statt, und das historische Ereignis ist die Konfrontation eines jungen Revolutionärs mit der ersten ernstzunehmenden „KI“, also einer Maschine, die annähernd wie ein Mensch denkt. Oder eben schon ganz. Darum geht´s in den dialogischen Rückblenden, die Bewerberin „Anaximander“ auswendig rezitiert und wissenschaftlich bewertet. Die Dialoge sind maßgeblich, spitz und tief, die Beschreibung des Übergangs von Kohlenstoffintelligenz zu Siliziumintelligenz ist hochspannend, Becketts Stil souverän und unterhaltend, die Auflösung des Ganzen überraschend und durchaus verstörend.

Gut, das es schlecht bezahlte ÜbersetzerInnen gibt. Und wir lesen jetzt alle diese schönen und klassisch philosophischen (weil Lebenswichtiges austarierenden) 170 Seiten, freuen uns sehr und finden Wege, Beckett für seine Fragen nach dem „Was ist menschlich?“ jeweils einen Zehner vorbeizubringen.

Bernard Beckett / Das neue Buch Genesis (Ü: Christine Gallus; Script 5, Januar 2011, 171 S., 5.95 €)

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