Phantastisches Jahr 2013

… wahlweise „Zukunftskultur 2013“ sollte der Heyne-Verlag vielleicht titelnd auf den Ziegelstein „Das Science Fiction Jahr 2013“ drucken lassen, um nicht alle Jahre wieder 90% jener Leser abzuschrecken, die das Ganze durchaus interessieren und erfreuen könnte. Andererseits wäre dann der Snob-Effekt hin, den ich ja selbst sehr zu schätzen weiß, also vergessen wir den Vorschlag doch gleich wieder.

Lästig an diesem klotzigen Liebhaberobjekt (992 Seiten) ist eigentlich nur, dass es so teuer ist. Nicht wegen des in Anbetracht der drinsteckenden Arbeit lächerlichen Preises (36,99 €), sondern wegen der langen Einkaufslisten, die nach Lektüre der Features, Buch- und Filmempfehlungen unweigerlich zusammenkommen. Aber da meine „SUB“* und SUFS seit letzter Woche eh so hoch und lang sind, dass ich sie in diesem Leben nicht mehr werde abtragen können, gebe ich auch gern weiter mein gesamtes Geld für sehens- und lesenswertes Material aus (die Folien bleiben, logisch, sicherheitshalber dran, das erhöht ja im Erben-Ernstfall den Momox-Wiederverkaufsstückwert von 0,003 € auf mindestens 50 Cent.)

Nerdiges Zeug enthält die Sammlung natürlich auch. Ausführliche Reviews der besten SF-Games der letzten Saison interessieren ja nicht mal mich (aber das auch nur, weil ich mangels Zeit nicht mal dazu komme, die ersten Level von Mass Effect 3 endlich durchzuspielen), und unter den zahlreichen besprochenen Romanen sind natürlich einige, die man sich garantiert problemlos entgehen lassen kann. Das gilt aber nicht für größere Teile der sogenannten Features, denn die gehören wahrhaftig nicht ins Science-Fiction-Ghetto, sondern mitten in die Überlegungen aller, die sich Gedanken über unsere Zeit, Kultur und Zukunft machen. Und diesbezüglich bietet das Jahrbuch wieder überaus Wertvolles an, von Wolfgang Neuhaus’ „Kritik der phantastischen Vernunft“ bis Gary Westphals „Fallstricke des Prophezeiens“, von Sascha Mamczaks kluger Erörterung der Frage, welche Folgen eigentlich das Leben im Antropozän für Welt und Literatur haben bis zu Bartholomäus Figatowskis ebenso höflicher wie gottlob feuielletonkritischer Würdigung unserer „Dystopie“-vernarrten Jugend – bis zuletzt hin zu ausführlichen Gesprächen mit Daniel Suarez und Cory Doctorow, deren Totale-Überwachungs-Visionen sich bedauerlicherweise als nicht besonders originell entpuppt haben. Um so dringender müssen wir uns mit dem folgerichtigen Rest ihrer Visionen beschäftigen, denn sollten beide auch weiterhin unoriginell Recht behalten, haben wir zwei, drei Probleme, die sich mit künstlerischen Mitteln wahrhaftig nicht mehr lösen lassen. Immerhin: dank des noch immer nicht „Zukunftskultur 2013“ heißenden maßgeblichen Sachbuchs steuern wir auf diese Zukunft nicht blind zu, sondern wachsamen Auges.

* Wer in Sachen Lektüre-Buchführung (sic) ebenso unerfahren ist wie ich: so verkürzen Profi-Lese-Bloggerinnen ihre „Stapel ungelesener Bücher“. Ob es auch „SUFS“ gibt, weiß ich nicht, aber ich muss auch in Sachen Filme und Serien dringend abkürzen.
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