Wir üben Daemon

ozapftis: Im Rahmen der öffentlich so gut wie unbekannten und nie massenmedial kommentierten Bundes-„Länderübergeifenden Katastrophenschutzübung“ LÜKEX werden am 30. November und 1. Dezember Cyber-Angriffe auf sicherheitsrelevante Netze simuliert. Nachdem die Auswertung der letzten Lükex-Übung 09/10 (Übungsfall: Schmutzige Bombe) sicherheitshalber noch immer nicht vorliegt, wird also demnächst der nächste Ernstfall simuliert: Cyberterror. Wie üblich in winzigem Rahmen (3.000 Übende) und, wie üblich, mit dem Schwerpunkt „Volksberuhigung“ (bei letzten Mal hieß es dazu: „Im Fokus stand dabei die Abstimmung von Entscheidungen – insbesondere zur Medien- und Öffentlichkeitsarbeit – auf politischer und administrativer Ebene nach einer ganzen Reihe von (fiktiven) Schadensereignissen.“) Vulgo: Gegenstand der LÜKEX-Übungen ist primär: „Wie man Otto N. am besten nicht beunruhigt“, und solange nicht einer der Übenden wirklich auf den falschen roten Knopf drückt, bleiben die Lichter im Ruhrgebiet an. Wie finster die Ergebnisse der Übungen jeweils ausfallen, entnimmt man auch zukünftig bestenfalls weiterhin den gut versteckten Freiwillige-Feuerwehr-Foren, in denen Teilnehmer sich öffentlich entsetzt am Kopf kratzen.

Worum es tatsächlich geht, in näherer Zukunft, das hat der Programmierer und Geek Daniel Suarez schon 2004 beschrieben (wenngleich sein Roman Daemon eine ganze Weile brauchte, um aus dem Selbstverlag zum Großverlag Dutton zu finden und von dort 2009 auch nach Deutschland). Was auf den ersten Blick aussieht wie „nur“ ein prima geschriebener Pageturner über ein verstorbenes Online-Gamegenie, das mit seinem Ableben ein Programm in den Netzen zum Leben erweckt, das die Weltherrschaft zu übernehmen droht, entpuppt sich im Lauf der gut 600 Seiten als ebenso finstere wie kluge Vision: denn was der irre Programmierer da ins Leben gerufen hat, tötet zwar unaufhaltsam und massenhaft – scheint aber durchaus auf einem vernünftigeren Weg zu sein als seine Gegner: wir.

Den eingeschlagenen Weg beschreitet Suarez dann im Nachfolgeroman Darknet zu Ende – denn Darknet (im Original passender: Freedom TM) ist nicht nur ein Quest, der Homer und Multiplayergame in der Realität verknüpft, sondern erst recht gut gemeint. Leider ein bisschen zu hoch gegriffen und unterm Strich dann doch bloß ein einigermaßen wüster Mix aus erneuerbarer Philosophie und Landserroman, aber immerhin: um Relevanz bemüht, also dem literarischen Rest des Rudels ein paar lässige Längen voraus.

Lesenswert dazu: „Wir werden mit System erobert“ (FAZ.net, 2. Mai 2011; Frank Rieger im Gespräch mt Suarez).

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Medien, Politik, Romane abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert