„Kann ich mal eins von deinen Drehbüchern lesen?“ (Künstlerdämmerung #23)

Stimmt ja auch: Wenn einer mir sagt, er sei „Mechatroniker“, stelle ich mir darunter garantiert irgendwas vor, was nicht exakt der Wirklichkeit entspricht. Aber immerhin gehe ich davon aus, dass man als Mechatroniker einiges können muss, was ich nicht kann.

Fragen hingegen freundliche Menschen mich, ob sie mal ein Drehbuch von mir lesen könnten, ergibt sich relativ rasch, dass eigentlich jede/r denkt, ein „Drehbuch“ sei eine Prosa-Shortstory, aus der dann „Filmleute“, also vor allem ein Regisseur und ein Kameramann, einen Film entwickeln – und die Dialoge, die denken sich die Schauspieler vor Ort aus, am Set.

Sofern ich bei solch mißverständlichen Gelegenheiten meinen Rechner dabei habe, kann ich zumindest entschuldigend aushelfen, denn Bilder sagen ja manchmal mehr als 1000 Worte.

Und, ja, das ist schon die Phase zwischen Version 3 und 4, also die Architektur des komplizierten Hochhauses incl. Inneneinrichtung. Habe ich Glück, ist der Regisseur zu diesem Arbeitszeitpunkt zumindest schon kommentierend zugegen (bei Fernsehproduktionen: selten). Jedenfalls obliegt es dem Autor, nicht nur sämtliche „Beats“ auf die Minute korrekt zu setzen, sondern auch jeden Dialog vorzuschreiben und sämtliche Szenen, exakt aufgedröselt, so zu gestalten, dass am Ende eine dramaturgisch perfekte Punktlandung herauskommt, also im engen Fernsehrahmen z. B.: 88:30. Oder 91:30 (bis zu 10% Überhang für die post production sind ggf. eine gute Idee).

Nach diesem circa Dreivierteljahr Autorenarbeit kommt dann (beim Fernseh) der „Spielleiter“. Also: Regisseur. (Und, nein, Schauspieler denken sich ihre Dialoge nicht selbst aus).

Immerhin weiß ich aber jetzt, weshalb Autoren generell als beneidenswerte Faulpelze gelten, die nicht arbeiten müssen, sondern nur zu Hause sitzen und kleine Prosa-Stories hinschreiben – aus denen dann andere Leute tolle Filme machen. (Mal ehrlich: Schreiben kann doch fast jeder, der zur Schule gegangen ist, oder?)

(Aber keine Sorge – falls auch Sie das bisher auch ganz unterbewusst dachten: Die meisten deutschen Fernsehredakteure kennen nicht mal die Software, mit der echte Autoren arbeiten. Geschweige denn kennen sie Dinge wie „Beats“ oder andere strikte Erfolgsformeln für erfolgreiche Filme. In der Hinsicht sind wir Deutschen stolz auf unsere Eigenständigkeit, vulgo: Kauzigkeit, denn was im Rest der Welt seit mehr als 20 Jahren Standard ist, wird hierzulande schlicht als neumodischer Kram abgelehnt. Der normale Redakteur besteht sogar darauf, dass Autoren mit dem Äquivalent eines Faustkeils schreiben (Microsoft Word) statt mit dem Äquivalent eines Computers (siehe oben). Denn das – „haben wir schon immer so gemacht“.

Offen gestanden, psst, unter uns, meine Damen, meine Herren: Das sieht man.

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