Obacht #2: Beim Informieren

… das schreib ich jetzt nicht neu, sondern kopiere es mal faul in der dritten Person aus gut informierter Quelle. Es erschließt sich ja so oder so mehr oder weniger von selbst …

„In seinem Bemühen, mit der aufwendigen und aus eigenen Mitteln finanzierten Informations-Website lsms.info Multiple-Sklerose-Neudiagnostizierten eben jene wissenschaftlich gesicherten Informationen zu verschaffen, die ihnen von Neurologenverbänden und Pharmaindustrie oft vorenthalten werden, kann Sven Böttcher sich auf eines verlassen: Die von der Industrie großzügig unterstützte „Patientenvereinigung“ DMSG verteidigt wachsam ihre Deutungshoheit.

Schon vor Erscheinen des neuen Buches des selbst an MS erkrankten Bestsellerautors  forderte die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft DMSG Böttcher nachdrücklich zu einer Richtigstellung auf. Die DMSG stellte schriftlich klar, die Multiple Sclerosis International Foundation (MSiF) werde „nicht umfänglich von den <auf lsms.info genannten Pharma-> Firmen mitgetragen“, daher: „Fordern (wir) Sie auf, die Erklärung zur Seite der MSiF richtigzustellen und diesen Link nicht unter den Links zu den Seiten der Pharmafirmen zu platzieren.“ (Gabriele Diedrich, Leitung Öffentlichkeitsarbeit DMSG, 12.03.2015/13.03. 2015).

Böttcher leistete der Forderung der DMSG sicherheitshalber Folge und entfernte den zweizeiligen Hinweis auf die MSiF von seiner umfangreichen Website, im Buch hingegen bleibt der Sachverhalt nach Rücksprache mit dem Verlag korrekt beschrieben stehen. Der Autor gestattete sich überdies mit Hinweis auf die 2013er Bilanz der MSiF die Frage an die DMSG, wie das ausdrückliche „nicht umfänglich (…) mitgetragen“ zu verstehen sei – da doch offenkundig die Pharmaindustrie etwa 50% des MSiF-Budgets bereitstelle. Und den überwiegenden Rest? Der Vannaeu Trust – eine Stiftung, die für den nur mit Google 2.0 ausgestatteten Laien ein Mysterium bleibt.

Natürlich fragte Böttcher auch hierzu freundlich nach:

Sehr geehrte Frau Diedrich,

Danke für Ihre schnelle Rückmeldung. Sind Sie so nett und verraten mir noch, was oder wer der „Vanneau Trust“ ist? (Ich entnehme der Bilanz der MSiF, dass diese Stiftung fast 50% des Budgets aufbringt, und finde das so großartig, dass ich die dahinter stehenden Spender tatsächlich gern öffentlich loben würde – und zwar ausdrücklich nicht unter „Pharma-Links“ :))

Mit bestem Gruß

Die Antwort überrascht, schließlich impliziert die DMSG mit ihrer ursprünglichen Aufforderung der Richtigstellung, die Finanzierungsquellen der MSiF zu kennen (abgesehen von den knapp 50% „nicht umfänglicher“ Pharmaunterstützung).

Sehr geehrter Herr Böttcher,

hier kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen, bitte kontaktieren Sie die MSIF direkt.

Beste Grüße

i.A. Gabriele Diedrich M. A.

Leitung Öffentlichkeitsarbeit

Auf Anfrage gibt die MSiF selbst Auskunft. Der Vanneau Trust, größter Geldgeber der Stiftung, „wurde gegründet von einer MS-betroffenen Person, die anonym zu bleiben wünscht.“* Der unbekannte Großspender hat dem MSiF indes kein Erbe hinterlassen, sondern alle Entscheidungen über Anlage und Verwendung des Vanneau-Vermögens den namentlich nicht genannten Stiftungsverwaltern übertragen. Mit 625.870 britischen Pfund Zuwendungen 2014 ist die MSiF nur einer von mehreren Begünstigsten der jährlich verteilten Stiftungsmittel. Und amtlich eingetragen ist der Vanneau Trust natürlich auch, im Steuerparadies Jersey.

Einstweilen geben der unbekannte Großspender und sein Trust also noch einige Rätsel auf.

Ebenfalls einstweilen bleibt abzuwarten, welche Geschütze Neurologenverbände, DMSG oder MSiF gegen den gut informierten Kranken auffahren, wenn dessen Buch tatsächlich am 27. April erscheint. Denn erst dort wird die DMSG ja mit ihrer eigenen teilweisen Finanzierung durch die Pharmaindustrie konfrontiert. Sowie mit einigen anderen Fragen, die der Vereinigung lästig sein mögen, die aber für neudiagnostizierte Patienten von geradezu überlebenswichtiger Bedeutung sind.

Der Ausgang der Auseinandersetzung aber scheint von vornherein festzustehen. Böttcher ist Patient und hat weder eine starke Lobby noch starke Nerven. Die Informationsseite lsms.info aber wird bis auf weiteres bleiben, denn bis auf den einen monierten Satz im Kleingedruckten bietet sie den wachsamen Verbandslesern ja offenbar keinen Grund zur Klage. Jedenfalls bislang.

—- * „The Vanneau Trust was established by a person with MS who wished to remain anonymous. Just to say, rather than making direct legacies he left it to the Trust  to take decisions. The trustees are a regulated entity in Jersey; they  manage the assets of the Trust for the beneficiaries, of which MSIF is one.“ (Peer Baneke, CEO MSiF, private email 3/17/15)

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3 Antworten zu Obacht #2: Beim Informieren

  1. Chris sagt:

    Respekt und Danke für Deine Kraft!

  2. Pelle Schlapkohl sagt:

    Wenn Sie, Herr Böttcher, statt dieser Wischiwaschi-Wertung „umfänglich“ lediglich die momentan bekannten absoluten Zahlen zitieren, und das auch ausdrücklich so formulieren („momentan bekannte Zahlen“) vielleicht auch noch die Prozentzahlen berücksichtigen, dann kann die DMSG doch eigentlich nicht meckern. Ob das gerichtsfest wäre, kann ich allerdings nicht beurteilen, in der Juristerei geht es bekanntlich nicht nur darum, recht haben, sondern auch darum, sein Recht zu bekommen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Pelle Schlapkohl

  3. Vielen Dank Herr Böttcher,
    für Ihre umfängliche Recherche, den Mut diesen Weg zu gehen und sich damit
    einem mächtigen „Gegner“ entgegen zu stellen.
    Ich habe im gleichen Jahr wie Sie die Diagnose bekommen und bin inzwischen motorisch stark eingeschränkt. Ihre Arbeit weckt neue Hoffnung und motiviert zu persönlicher Veränderung.

    Mit großem Respekt und herzlichen Grüßen
    ansgar enderlein

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