Künstlerdämmerung (#3): Tu die Mathe

Ein Nachtrag zum heiteren Autorenrechnen von oben, für nachdenkliche Leser: wenn Sie ein aus dem Englischen übersetztes Taschenbuch kaufen und 80% vom Verkaufspreis bei Verlagen (Originalverlag und deutschem Lizenznehmer) sowie Handel verbleiben, was könnte dann beim Autor oder bei der Autorin ankommen? Genau, 60% der Einnahmen des Originalverlags, der seinerseits die 5% Autorenhonorar des Verkaufspreises erhält. Macht also für den Autor 60% von 5% = 3%. Sprich: 30 Cent von den 10 Euro, die Sie an der Buchladenkasse zahlen.

Nun aber, bitte, einen im Sinn: nämlich muss da jemand als Vermittler tätig werden, da Sie, Leser, das Werk nicht im Original lesen resp. verstehen können. Dieser Vermittler ist der literarische Übersetzer, und für den bleibt bei der engen Kalkulation oben – eigentlich … nix. Übersetzte Taschenbücher kosten ja nicht mehr als original deutschsprachige. So müssen also die Verlage aus ihrem knappen Budget irgendetwas herausschälen, und die Rechnung muss trotzdem noch aufgehen. Was bedeutet, um die Rechnung abzukürzen, dass der Übersetzer für seine Arbeit ein Seitenhonorar von 10 bis bestenfalls (im Hardcover) 20 € erhält. Bleiben wir sicherheitshalber beim Taschenbuch. Für 400 Seiten erhält der Übersetzer also 4.000 € Honorar. Als ebenso anerkannter wie fixer Übersetzer darf ich Ihnen versichern, dass man bei gebotener Sorgfalt an einem 8-Stunden-Arbeitstag maximal 6 Seiten schafft (inklusive Vor- und Nachbereitung des gesamten Stoffes). Die Anfertigung der Übersetzung dauert also wenigstens 67 Arbeitstage resp. 3 Arbeitsmonate je 22 Werktage. 4.000/3 = 1.333,- €. Monatsgehalt. Für 40-Stunden-Wochen. Weihnachtsgeld und 13tes gibt´s nicht. Und, hey, um richtig gut und angemessen zu übersetzen, muss der Übersetzer einiges wissen. Vor allem muss er Quell- und Zielsprache nicht nur so´n bisschen kennen, sondern perfekt beherrschen, andernfalls kann er aus den Myriaden Möglichkeiten, die Sprache nun mal bietet, nicht kongenial in die Zielsprache, also Ihre, übertragen. Die Ausbildung eines richtig guten Übersetzers dauert daher ungefähr so lange wie die eines richtig guten Arztes oder Anwaltes, aber Sie werden zurecht einwenden, dass die richtig guten Übersetzer ja auch nicht für Peanuts arbeiten, sondern glatt doppelt so gut bezahlt werden wie die noch nicht ganz so guten Kollegen, sprich: immerhin 2.666,– € im Monat einnehmen. Können. Maximal. Für schlappe 176 Arbeitsstunden.

Mein Anwalt bekommt für seine hochqualifizierte Tätigkeit bei gleichem Zeitaufwand nicht 2.666,– €, sondern 36.000,– €. Und ich finde das beileibe nicht unangemessen.

Vermute allerdings erst recht und weiterhin: Bücher sind viel zu billig.

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