US-Pay-TV vs. D-Pay-TV (aka öffentlich-rechtliches Fernsehen)

Warnung (aus allersicherster Quelle ganz nah an der Quelle, keine Namen!): „Horizontale“ darf man in ZDF-Serienkonzepten nicht mehr schreiben. Es muss jetzt „Private Line“ heißen, bei Zuwiderhandlungen kommt der Exorzist bei einem zuhause vorbei. Und wer gar versucht, nach Erwähnung einer „Horizontale“ in den Lerchenberg einzudringen, wird vom Pförtner erschossen und hinterm Haus geschreddert.
Das weiß ich aber auch nur, weil ein kluger und freundlicher Produzent meinen deutschen Lieblingsserienautor (und guten Bekannten) N. N. als neuen Headwriter eingekauft hat und daraufhin mich bat, mitzuschreiben. Wollte ich gern, wegen des Headwriters, sah mir die erste Staffel an (bereits gesendet), fand manches und gut und vieles schlecht, studierte das Analysepapier des Senders und fand eine lange „Stärken/Schwächen-Liste“, die sich genau mit meiner deckte. Allerdings spiegelverkehrt. Alles, wahrhaftig alles, was an diesem Format vielversprechend sein hätte können, ist ersatzlos zu streichen und durch Trash zu ersetzen. Keine neumodischen Schnitte mehr, keine komplexen Charaktere, keine Backstory, keine Grautöne. Keine Horizontale. Stattdessen: zurück zu „Der Alte Derrick-Kommissar“, abgeschlossene Blödfälle, Mord: immer gesetzt, Aufklärung in 60 Minuten, Mimi glücklich ins Bett, schlaf schön, Deutschland, gute Nacht. Und das mit der immergleichen Begründung: „Unsere Zuschauer nehmen das nicht an“. (Die erste Staffel hatte viele Zuschauer, aber wenige unter 65. „Zeitgemäß“ bleibt also hierzulande bis auf Weiteres gleichbedeutend mit „arbeitslos“. Jedenfalls für Autoren und Produzenten.)

Die US-Pay-TV-Sender machen unterdessen unverdrossen richtiges Neuzeitfernsehen – sind aber dem Michel und seinen Dealern inzwischen derart viele Lichtjahre entronnen, dass es unter Snobs ja schon fast wieder out, in zu sein, in dem man die in-TV-Serien als out befindet – jedenfalls ist Emily Nussbaums schöner New-Yorker-Text über True Detective (Cool Story, Bro) nun auch schon wieder ein paar Monate alt … andererseits sind wir Deutschen diesbezüglich gottlob entschuldigt, weil wir in jeder Hinsicht unter eine Zeitglocke leben; und dürfen daher nicht nur Ayurveda und Bogenschießen weiter für unerhört hip halten (bis zirka 2042), sondern uns gefahrlos begeistern für überholtes Zeug vom Schlage The Americans, The Newsroom, The Walking Dead (erzählerisch gelungene Staffel 4), Orange is the new black, True Detective. Oder, noch besser, Fargo.

Wer Schnee lieber einfach nur lustig finden möchte, schaut sich statt Fargo natürlich lieber Lilyhammer an, aber wer´s doch eher existenziell totkomisch (ab 16) mag, greift zur künstlerisch hochstehenden Variation des Coen-Brothers-Klassikers. Was Creator Noah Hawley und seine Regisseure daraus gemacht haben, ist nämlich wahrhaftig aller Ehren wert. Gespoilert wird hier nicht, aber mir sei das Geständnis erlaubt, dass ich die im Vorspann jeder Folge extrem hoch gehaltene Behauptung grandios finde, dies sei eine „wahre Geschichte“. Das nämlich war schon 1996 (im Original-Vorspann der Coen-Brüder) schlicht gelogen, erlaubte aber den Brüdern und erlaubt erst recht jetzt Creator Hawley, einen Haufen Storylines und Subplots einzuweben, die man schlicht unglaublich fände – wär´s denn nicht, eben, eine „true Story“. Und so lässt sich, gedeckt von einer dreisten Lüge, wahrhaftiges Leben erzählen, wie es ist: eben ziemlich schräg und irrational und nicht immer einem „Skript“ folgend. Spiegelkabinett? Absolut. Macht aber Meta-Spaß. Zusätzlich zum Mega-Spaß an der Kerngeschichte, der wunderbaren Inszenierung und dem grandiosen Spiel von Billy Bob Thornton, Martin Freeman und Kollegen.


(noch ohne deutsche Tonspur). Bei co.uk garantiert etwas günstiger, auch als Blu-Ray.

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