Schreiblemminge (Künstlerdämmerung #24)

Deutsche Schriftsteller sind doch echt die schlausten der Welt. 1.500 Unterzeichner gegen Amazon! Wow! Wenn das kein Flashmob ist! Knaller! Aber für was und wieso und weswegen unterschreiben die alle eigentlich, die Profifedern? Für die Verpacker in Bad Hersfeld, die zu knapp über Mindestlohn bezahlt werden? Oder damit wir unsere DVDS zukünftig nur noch bei den beiden pseudokonkurrienden Metro-Läden kaufen? Oder als Stream beim Gutmenschenverein Apple? Oder beim vorbestraften Herrn Karstadt, weil der seine Angestellten so fair behandelt? Ach, nee, die Bücher, stimmt. Die sollen wir nach dem Willen der Autoren nämlich nicht bei amazon kaufen, sondern via Großhändler Libri. Weil … der stationäre Buchhandel (Thalia, Hugendubel) und die Global-Player-Verlage, eben: die natürlichen Freunde der Autoren sind. Deshalb nehmen Buchhandel und Verlage auch bloß 95% Maklergebühr für die Vermittlung des Werkes an die Leser und zahlen dem Autor großzügige 5%. Drum springt man in  Autorenlemminghorden den etablierten Maklern bei, sobald ein böser Konkurrenzmakler auftritt und einem temporäre 70% bietet (ebook) resp. 45% statt der „ham-wir-schon-immer-so-gemacht“ 5% (Taschenbuch).

Nein, das ist alles gar nicht schlimm. Es sind ja Autoren, keine Kaufleute. Und Autoren müssen auch die Welt nicht verstehen, es reicht ja, wenn sie international konkurrenzunfähige Literatur hinbekommen. Nur: sich willig vor den Karren ausgerechner jener spannen zu lassen, die von der eigenen Arbeit weit mehr profitieren als man selbst, das ist schon ein schwaches Stück, und man fragt sich unwillkürlich, weshalb man wen lesen soll, der nicht mal sekundenlang geradeausdenken kann. Nicht mal dann, wenn es um die ureigensten Interessen geht. Man könnte diesen 1.500 vermutlich sogar die Socken verkaufen, die sie gerade tragen.

Oder? Was habe ich übersehen? Was haben die Autoren von der Boykott-Aufforderung? Danach endlich bessere, fairere Konditionen? 22% vom Ladenpreis? Oder wenigstens 8% (im Taschenbuch)? Höhere Absätze? Mehr Anerkennung? Rente? Die Möglichkeit, bei den Eltern auszuziehen?

Nö. Nix. Der Streit ist einer zwischen Multis, die beide – verständlicherweise und systemimmanent – ihren optimalen Margen im Blick haben und sich mit harten Bandagen streiten. Amazon macht dabei den Autoren ein unständiges Angebot, die Verlage und der Buchhandel aber sind smart genug, die Autoren nicht mit einem besseren Angebot an sich zu binden, sondern diese dumpfe Horde unter dem Deckmäntelchen „Kulturkampf“ an die Front zu schicken. Sofern das klappt (wird´s ja nicht), hätten die Autoren davon: exakt nichts. Und Verlage und Buchhandel: ihr überkommenes, im Biotop „Buchpreisbindung“ eh gut geschütztes Geschäftsmodell gerettet.

Herrlich.

(P.S.: Doch, logisch. Hat das alles was mit dem Verbraucher zu tun. Dem sollte und muss man dringend klarmachen, dass er seine Weckgläser, Socken, Luftmatratzen und Bücher in einem kleinen Laden bei sich „ums Eck“ kaufen soll, weil sonst in genau dieser lokalen Ecke die Arbeitsplätze verschwinden, inklusive des eigenen. Aber das ist kein Thema des Buchhandels, sondern ein größeres. Hier Bewußtsein zu schaffen, wäre ehrenwert. Sogar für Autoren (als Verbraucher).)

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